Kanadagänse in Deutschland

Dabei geht ihr Flug gar nicht gen Süden. Denn nachdem die Kanadagänse, wie ihr Name bereits vermuten lässt, ihren Weg aus dem Norden Amerikas zu uns gefunden haben, fühlen sie sich mittlerweile ganzjährig in Deutschland heimisch.

Diese grazilen und kontrastreichen Tiere traten Ihre Reise aus den Tundren von Alaska an der Pazifikküste bis Neufundland am Atlantik an und sind als Ziergeflügel im 17. Jahrhundert nach Europa gekommen, wo sie sich heute in Skandinavien, Belgien und in den Niederlanden niedergelassen haben. Lesen Sie hier mehr über die Geschichte einer erfolgreichen Einbürgerung.

Die Neubürger (zoologisch Neozoen) sind mittlerweile nach der Graugans die zweithäufigste Art in Deutschland. Sie verbreiten sich inzwischen auch in anderen Ländern wie in Japan, Neuseeland oder Australien. Kein Wunder, sind sie doch extrem schnelle und ausdauernde Flieger. Flüge von 300 km und mehr legen sie in wenigen Stunden zurück. Dabei sind die Gänse sehr ruffreudig mit ihrer gewaltigen Stimme, um in der Luft auf große Entfernung auf sich aufmerksam zu machen.

Merkmale

Die Kanadagans ist die größte Gänseart in Mitteleuropa. Sie ist durch ihre schwanenähnliche Erscheinung sehr anmutig und ihr Gefieder ist sehr kontrastreich. Der lange Hals, der Kopf, der Schnabel und die Füße sind schwarz, während der Körper gräulich braun bis beige und die Brust hell ist. Die Schwanzfedern sind dunkel, die -unterseite jedoch weiß, sodass beim Flug ein weißes Band zu erkennen ist.

Charakteristisch ist auch das weiße Kehl- oder auch Kinnband, das sich am Kopf seitlich bis hinter die Augen zieht. In Corona-Zeiten überzeugt die Kanadagans mit einem 3G der anderen Art: Sie hat einen sehr gut ausgeprägten Gesichts-, Gehör- und Geruchssinn. Die Tiere können bis zu 20 Jahre alt werden.

Lebensweise

Kanadagänse leben monogam. Meist finden sie im zweiten Lebensjahr zueinander und erwarten im dritten Lebensjahr ihre erste Brut zwischen April und Mai. Dazu bauen sie ihre Nester bevorzugt auf grasbewachsenen Inselchen oder innerhalb der Ufervegetation der Flachwasserzone. Aber sie scharren auch auf trockenem Grund entlang der Gewässerufer Nestmulden aus.

Beim Brüten ist die Aufgabenverteilung ganz klassisch: Das Weibchen bebrütet alleine die vier bis sechs Eier in 28 bis 30 Tagen, während der Ganter Nestwache hält und das Gelege verteidigt. Nach dem Schlüpfen dann versorgen beide Elternteile die kleinen Nestflüchter, die zwar nach zwei Monaten flügge werden, aber bis zur nächsten Brut im Familienverband bleiben. Wenn bei einem Kanadagänsepaar der Bruterfolg ausbleibt, entführt es auch schon mal den Nachwuchs von Artgenossen. Zur Paarungs- und Brutzeit sind Kanadagänse als Paar unterwegs, ansonsten auch gerne in großen Gruppen.

Sie fressen pflanzliche Triebe, Gräser, Blätter, Stengel, Samen und Früchte von Wasser- und Unterwasserpflanzen und schauen sich außerhalb der Brutzeit auch häufig auf Feldern um, wo sie Getreidekörner, Maiskörner, Wintergetreide oder Raps finden.  

Der Lebensraum der Kanadagans ist vielfältig, sie fühlt sich sowohl im Tiefland an Gewässertypen und Flussmündungen, in feuchtem Grasland, auf Wiesen und in Sümpfen wohl sowie urban in Stadtparks. Kanadagänse bleiben das ganze Jahr über bei uns, die nördlicheren Populationen aus Skandinavien haben mittlerweile eine Zugtradition und überwintern häufig bei uns im Norden. Wie andere Gänse auch, fliegen sie dabei in V-Formation.

Ursprünglich als Ziervögel eingeführt gilt die Freilassung einiger Exemplare in München im Jahr 1826 als Beginn dieser Gänseart in Deutschland. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatten sich bereits mehrere Populationen etabliert, doch diese dienten während des Krieges sowie in Nachkriegszeiten der Bevölkerung als Nahrung. Das bedeutete für Städte sowie ganze Landstriche, dass die Vorkommen neu aufgebaut wurden. So begannen in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts allen voran gut betuchte Adelige und Großindustrielle verstärkt in den Folgejahrzehnten damit, die erhabenen Gänse erneut als Zierde in ihren Schlossanlagen und Parks auszusetzen.

Bedrohung

Kanadagänse gehören nicht zu den gefährdeten Tierarten. Sie sind wehrhafte Vögel, denen nur ihre natürlichen Feinde, der Fuchs und der Seeadler, gefährlich werden können. Den Junggänsen (Gössel genannt) und den Gelegen droht zwar auch durch kleinere Räuber Gefahr, aber die wachsamen Eltern verteidigen ihren Nachwuchs, wenn es sein muss, sehr aggressiv.

Darüber hinaus lauern Gefahren für den Lebensraum der Vögel, der durch Trockenlegungen von Feuchtgebieten zerstört wird. Deshalb weichen sie immer mehr in die Städte und dort in die Parks sowie an Seen aus. Wo sie auf uns Menschen treffen, die gerade in warmen Sommermonaten die Gewässer zur Freizeitnutzung aufsuchen.

Somit konkurrieren wir Erholungssuchende nicht nur miteinander und mit Schwänen und Enten um die besten Plätze, sondern auch mit den imposanten, selbstbewussten Gänsen, die ebenfalls eine Vorliebe für das saftige Grün mit direktem Wasseranschluss haben und gerne, wie bereits erwähnt, in größeren Gruppen unterwegs sind. Wir rücken also gezwungenermaßen zusammen, was Potenzial für Konflikte birgt, möchte man doch ungern in eine Auseinandersetzung mit einem Ganter geraten, der Weibchen und Nachwuchs gegen andere Kanadagänse oder eben uns Menschen verteidigt. Für den größten Unmut sorgen aber mit Sicherheit die Hinterlassenschaften der eleganten Vögel, wobei Wissenschaftler beruhigen, was die Gesundheitsgefahr oder das Umkippen der Gewässer durch den Kot der Grasfresser angeht.

Das Empfinden und die weit verbreitete Vermutung, dass die Zahl der gefiederten Zuwanderer aus Nordamerika zunimmt, stimmt nur bedingt. Dies war in den letzten Jahrzehnten in rasantem Tempo der Fall, derzeit stagniert die Population allerdings. Geschätzt rund 15 000 Brutpaare pflanzen sich mittlerweile ohne menschliche Unterstützung seit vielen Generationen fort, womit die Geschichte einer erfolgreichen Einbürgerung geschrieben ist. Die Kanadagans ist in Deutschland heute eine fest etablierte Art.

Leider schlägt Neozoen generell viel Skepsis entgegen, weil man ihnen unterstellt, sich negativ auf angestammte Spezies oder das Ökosystem auszuwirken oder einheimische Arten zu verdrängen. Dies tun aber nur invasive Arten. In der Europäischen Union gibt es eine Liste mit 66 Tier- und Pflanzenarten, die als invasiv gelten. Darauf finden sich als Vogelarten Nilgans, Glanzkrähe und Schwarzkopf-Ruderente. Die Kanadagans ist nicht darunter. Auch die Gänseforscherin Dr. Susanne Homma sieht nach langjähriger Beschäftigung mit Kanadagänsen bislang keine Hinweise darauf, dass die Alteingesessenen oder ihr Lebensraum durch die Neubürger Schaden nehmen. Sie hat einen Katalog mit mehr als 170 Einzelmaßnahmen entwickelt, um auf die jeweiligen Gegebenheiten angepasst reagieren zu können. Im Kern geht es darum, die Situation durch Gestaltung der Parks zu entzerren. Sie schlägt Bereiche vor, die für die Gänse gut geeignet sind und den Menschen das Erleben der Tiere ermöglichen. Die sogenannten „Meidebereiche“ hingegen sollen dem Menschen vorbehalten bleiben und für die Tiere unattraktiv gestaltet sein. „Dann kann jeder entscheiden, ob er die Tiere erleben oder lieber saubere Wege haben will.“, so Homma.

Ergänzend bricht Michael Jöbges, seit vielen Jahren beim nordrhein-westfälischen Landesumweltamt für Vögel zuständig, eine Lanze für die Neubürger – und wir sind da ganz seiner Meinung: „Kanadagänse und Menschen können miteinander leben, und sehr viele Menschen in den Städten wollen das auch.“

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